Das Engagement
Mode reagiert empfindlich auf alle Veränderungen der Gesellschaft. Der Modeschöpfer muß solche Veränderungen auffangen, den Nerv der Zeit treffen. Viele glauben, sie seien Modeschöpfer, weil sie gut skizzieren und Geschmack besitzen. Designer und Designer-Shops waren ein Phänomen der späten achtziger Jahre. Es ist heute eher unangenehm, wenn eine Frau von Kopf bis Fuß in einem prägnanten Stil gekleidet ist. Die neunziger Jahre sind ehrlicher, echter, traditioneller, authentischer. Man spricht von einer Besessenheit für reduziertes Design.

Woher kommt die Mode, von der Straße, aus den Gymnastiksälen, von den Laufstegen der Designer oder aus den Ateliers der Industrie? Macht der Handel Mode?
Die Zeiten, wo ein Fabrikant gut daran tat, ein Design aus den Modemetropolen einzukaufen, sind vorbei. Das umfassende Informationsangebot, sowie die Skizzierung und Schnitterstellung im Computer lassen Eigenentwicklungen zu. Besonders effizient sind gemeinsame Entwicklungen von Industrie- und Handelsstufe, in die der Handel seine Markt- und Kundennähe, sowie ein entsprechendes Einkaufspotential einbringt. Derart kollegiales Management von Innovationen bildet die Grundlage und letzte Chance für die Erhaltung der europäischen Einkaufsmärkte. Angesichts dieser Dimensionen ist der Couturier allenfalls in der Anregungsphase „Design-Research“ gefordert.Lizenznehmer von Nobelmarken greifen selten auf die authentische Linie zurück, sondern vermarkten deren Goodwill.
Die reduzierte Rolle der Designer spiegelt sich in den Bilanzen der Haute Couture. Die Instanzen der Modewelt haben sich verschoben. Operieren die Couture-Marken im luftleeren Raum? Eine Marke mit Background wirkt als Prestige- und Wertsignal. Ihre Stärke liegt im optischen und psychologisch-strategischen Einsatz. Sie kann ein neutrales Produkt aufwerten und Bedarfsbündel definieren, also Produktpaletten nach den erforschten Wünschen der Zielgruppe. Ihr operativer Wert liegt in der Polarisierung des Angebots nach Consumer-Lifestyles und nicht unbedingt im Einfluß auf die Gestalt oder Herstellung der Produkte.

Der Handel braucht mehr denn je besondere und exklusive Angebote, die aber durch seine bewährten Funktionäre durch Corporate Buying darzustellen sind. Die elegante Marke bringt eine Aufwertung der Arbeitsroutine. Unter der Austen-Maxime „Wir bieten geschmackliche Sicherheit“ und im Bestreben, dem Wertanspruch der Marke zu entsprechen, können Kreativ-Gruppen geformt und zu Höchstleistungen motiviert werden.
Um glaubwürdig zu erscheinen ist es opportun, die Couture-Marke, nach außen hin zu personalisieren und am Modeplatz Paris zu verankern.
Charles Austen sieht sich außerhalb der Kollektionsroutine als „Taste-Maker“ des anspruchsvollen Kunden, dem seine Marke als Orientierungshilfe dient.
Für den Handelspartner ist er „Brainstormer“, Philosoph, Enthusiast und unermüdlicher Promoter der Marke, der Kollektionen, des Placements und aller Public-Relations.

Wo liegt eigentlich der Unterschied zwischen einem Manipulanten mit Eigenprogramm und diesem mittleren Markenkonfektionär? Exzellente Weberverbindungen sind kein Privileg des Fabrikanten. Der feine Unterschied liegt nur noch darin, ob die jeweilige Firma die exclusiven Rechte auf einen Namen besitzt.
Die Häuser der High Street, Harrods, Marks & Spencer, John Lewis, Selfridges, House of Fraser, Debenhams, Simpson, Harvey Nickols disponieren starke und dominierende Traditionsmarken für Kunden, die Produkte in hervorragender Qualtät zu niedrigen Preisen in einem attraktiven Umfeld suchen, wo sie auch noch ein guter Service erwartet. Eben „Value for Money“.
Die Wettbewerbssituation macht auch hierzulande die Expansion in Eigenmarken für immer mehr Einzelhändler attraktiv. Den Private-Labels wird nicht nur mehr Verkaufsfläche eingeräumt, sondern auch ein stärkeres Image verpaßt. Ein Eigenmarkensortiment, kombiniert mit einer echten Marke, bedeutet: Von einem Schlüsseltrend profitieren.
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